Berufsfachschule für Musik war in der Normandie

Besonderer Beitrag aus Unterfranken zum D-Day

Bad Königshofen (hf). Der D-Day war in den vergangenen Tagen in aller Munde. Besonders einbezogen in die Feierlichkeiten war die Unterfränkische Berufsfachschule für Musik. Sie war vom Bezirk Unterfranken eingeladen, ein Konzert im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des D-Day in der Normandie zu geben. Das Oratorio-Requiem „Le Grand valet du ciel“ von Jean Malraye, einem in der Normandie als Komponist und Dirigent bekannten Musiker, stand auf dem Programm. Es wurde zusammen mit dem Phoenix Chor und dem Orchester Capriccio aus Caen sowie Gesangssolisten und Sprechern in der Kirche von Évrecy aufgeführt, einem Ort in der Nähe von Caen, der bei der legendären Schlacht in der Normandie im Juni 1944 weitgehend zerstört wurde.

Da die Reise teilweise in die Pfingstferien fiel, konnte nicht die gesamte Schülerschaft teilnehmen, aber immerhin knapp 40 Chorsänger machten sich in einer Nachtfahrt auf den Weg nach Caen. Begleitet wurden die Sänger von Schulleiter Ernst Oestreicher und seiner Stellvertreterin Brigitte Schmidt. Das Partnerschaftsbüro des Bezirks Unterfranken hatte neben den Proben zum Konzert noch ein Rahmenprogramm für die jungen Deutschen zusammengestellt, das einerseits die Schönheiten der Landschaft und Sehenswürdigkeiten der Normandie umfasste, in der Hauptsache wurden aber die historischen Gegebenheiten rund um den D-Day erläutert und die damit verbundenen Örtlichkeiten besichtigt.

Von Arromanches, wo bereits die Vorbereitungen für die Fernsehübertragung des Festaktes zum D-Day am 6. Juni in vollem Gange waren, über Omaha Beach zum Pointe du hoc führte die Besichtigung der Landungsküsten. Eindrucksvoll wurde auch in einem Film mit Originalmaterial vom Juni 1944 klar, welch enorm große Brutalität und Zerstörung mit Kriegsgeschehen verbunden ist. Der deutsche Soldatenfriedhof von La Cambe und der amerikanische Friedhof von Colleville unterstrichen den Eindruck der grausamen Ereignisse nochmals. 

Ein weiterer Höhepunkt der Reise war der Besuch des Mémorial de Caen. Diese Gedenkstätte des Friedens, vor der eine Woche später Bundeskanzler Schröder eine Rede hielt, ist ein unwahrscheinlich beeindruckendes Museum. Es zeigt in einem Bereich in einer dunklen, nach unten führenden begehbaren Spirale die Umstände auf, die zu den beiden Weltkriegen geführt haben. Weitere Säle beschäftigen sich mit dem zweiten Weltkrieg, der Landung der Alliierten und der Schlacht in der Normandie. Auch der Zeit des Kalten Krieges ist eine ganze Halle gewidmet. Die bunteste und hellste Abteilung des Museums beschäftigt sich mit dem zentralen Anliegen des Mémorial, dem Friedensgedanken. Neben Kunstwerken werden Kulturen, Vereinigungen, Projekte und Persönlichkeiten vorgestellt, die sich für den Frieden einsetzen. Eine wunderschöne Gartenanlage und eine Galerie der Friedensnobelpreisträger ergänzen die hervorragende Anlage.

Das Konzert in Évrecy am 28. Mai war ein überregional sehr beachtetes Ereignis. Jean Malraye, der Komponist und Dirigent des Werkes, leitete früher das Theater von Caen. Er hat die Schlacht in der Normandie persönlich miterlebt und musste einige Zeit in deutscher Gefangenschaft verbringen. Diese Erlebnisse verarbeitete er in seinem Oratorio-Requiem „Le Grand valet du ciel“ (für 4 Solisten, mehrere Sprecher, Chor und Orchester) musikalisch. In seinem Werk kombiniert er den lateinischen Text des Requiems mit Texten von Pierre Godefroy, dem Bürgermeister von Valognes, der nebenbei als Historiker, Schriftsteller und Journalist tätig war. Es handelt sich um Szenen aus der Zeit der Schlacht in der Normandie, in denen die Einwohner des Ortes Lestre ihre Erfahrungen mit den deutschen und den alliierten Streitkräften schildern. Todesfälle und die Zerstörung einer wichtigen Brücke werden dramatisch geschildert. Die Bürger entschließen sich, die Brücke sofort und noch breiter als vorher wieder aufzubauen als Symbol für die Brücken zwischen den Völkern der Erden. Noch im Angesicht größter Zerstörung bereiten sie sich damit symbolisch auf den Frieden vor. Am Ende des Werkes steht eine Anrufung des Heiligen Michael, der in der Normandie sehr verehrt wird. 

Der Chor der Berufsfachschule für Musik gestaltete gemeinsam mit dem französischen Phoenix Chor aus Caen die anspruchsvolle Chorpartie. Beide Chöre hatten den komplizierten Notentext jeweils getrennt einstudiert und fanden erst zwei Tage vor dem Konzert zu Proben zusammen. Die Zusammenarbeit mit dem französischen Chor lief reibungslos. Da einige Chormitglieder auch deutsche Jugendliche als Gast aufnahmen, entstanden herzliche Kontakte. Die Kirche war am Abend des 28. Mai bis auf den letzten Platz besetzt und die Zuhörer applaudierten nach Ende des Konzertes minutenlang. Nach den vorangegangenen historischen Informationen konnten die jungen Deutschen verstehen, was für einen großen Schritt der Versöhnung es für Maestro Malraye bedeutete, als ehemaliger deutscher Kriegsgefangener, dessen Heimat im Krieg in Schutt und Asche gelegt wurde, sein Werk mit einem deutschen Chor aufzuführen.

Während der Besichtigungen, der Proben und im Konzert filmte ein Team des ZDF die Königshöfer Choristen. Kurze Szenen waren bereits zusehen, allerdings leider nicht an dem der Berufsfachschule zunächst mitgeteilten Termin. Nach dem Konzert gab es noch zwei freie Tage für Besichtigungen der normannischen Küste, des malerischen Ortes Honfleur und der berühmten Felsenklosteranlage Mont Saint Michel. Es war eine Reise, deren Erfahrungen bei den jugendlichen Teilnehmern mit Sicherheit Spuren hinterlassen hat. Die ganze Normandie gedachte der Verstorbenen und der Zerstörung ihrer Heimat im Juni 1944, die letztlich dazu diente, das Ende des zweiten Weltkriegs einzuleiten. Die Normandie und speziell die Region Calvados brachten enorme Opfer, um das Hitler-Regime endgültig stürzen zu können. 

Wie wertvoll die Freundschaft zwischen dem Bezirk Unterfranken und dem Calvados aus diesem Hintergrund heraus ist, wurde allen Mitreisenden im Konzert und bei den begleitenden Veranstaltungen sehr verständlich. Es gibt keine bessere Vorbereitung für dauerhaften Frieden zwischen den Nationen als die Pflege solcher Kontakte, vor allem wenn auch junge Menschen in dieser Weise beteiligt werden, waren sich Brigitte Schmidt und Ernst Oestreicher einig.