Musikvereine gefangen im Abgabendschungel

NBMB unterstützt Massenpetition an den Deutschen Bundestag

Knapp 10.000 Euro verlangt die Künstlersozialkasse (KSK) vom Blasorchester Sand am Main e.V. (Landkreis Haßberge), ein Verein, der schon mehrmals für seine umfangreiche und vorbildliche Jugendarbeit ausgezeichnet wurde. Droht das Gleiche auch anderen Musikvereinen, die sich aktiv um die Ausbildung des Nachwuchses kümmern? Der Nordbayerische Musikbund (NBMB) unterstützt mit einer Unterschriftenaktion  eine Petition des Bayerischen Blasmusikverbands an den Deutschen Bundestag, die das verhindern soll.

Rückwirkend für rund fünf Jahre mussten in Sand KSK - Abgaben für Musiklehrer entrichtet werden. Vorsitzender Bastian Hümmer fordert das Geld zurück und will notfalls mit Unterstützung des NBMB bis vor das Bundessozialgericht ziehen. Das Blasorchester Sand war der erste Fall in Unterfranken, der auf diese Weise zur Kasse gebeten wurde, auch vom Musikverein Forchheim-Buckenhofen will die KSK rund 20.000 Euro. Bisher mussten die Musikvereine keine derartigen Abgaben für ihre Ausbilder bezahlen. Wie der Vorsitzende des NBMB, Andreas Kleinhenz, in einem Interview (Bayern II) berichtete, hatte eine Prüfung der Deutschen Rentenversicherung den Stein ins Rollen gebracht. Da die Forderungen der KSK nach vier Jahren verjähren, werden Nachforderungen für fast fünf Jahre erhoben. 3,9 Prozent der gezahlten Vergütung werden von der KSK verlangt.

Die Künstlersozialkasse übernimmt für die freiberuflich tätigen Musiker den „Arbeitgeberanteil“ bei Kranken- und Rentenversicherung. Regelmäßige Einzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse sollen die Künstler vor Altersarmut schützen. „Der NBMB steht voll und ganz hinter der Institution Künstlersozialkasse“, sagt Kleinhenz dazu, die ehrenamtlich arbeitenden Vereine können diese Abgaben aber nicht schultern. Als Folgen befürchtet er, dass die musikalische Ausbildung der Kinder teurer wird und höhere Gebühren erhoben werden müssen, das bedeutet weniger Nachwuchs und die Orchesterarbeit leidet. Da die Vereinsvorsitzenden persönlich haftbar gemacht werden, werden es sich in Zukunft viele Bürger überlegen, ob sie ein Ehrenamt an der Spitze noch übernehmen wollen.

Ungerecht behandelt fühlen sich die Vereine, denen einerseits ihre wichtige gesellschaftliche und soziale Bedeutung immer wieder bestätigt wird, und die andererseits massiv zur Kasse gebeten werden, mit der Begründung, ihr Ausbildungssystem entspreche dem einer Musikschule. Die Musikschulen erhalten jedoch staatliche Zuschüsse, die es für die Vereine nicht gibt. In der Petition wird deshalb gefordert, alle ehrenamtlich geführten, gemeinnützigen Musikvereine und Chöre von der Abgabepflicht an die Künstlersozialkasse zu befreien. Auf Granit beißt diese Forderung momentan beim Bundessozialministerium. Alternativ könnte sich Kleinhenz auch eine Bayerische Lösung vorstellen, bei der die ausbildenden Vereine einen entsprechenden Zuschuss vom Freistaat erhalten.

Ist es möglich, dass die Musikvereine finanziell ruiniert werden? „Das kann sehr schnell gehen“, sagt Kleinhenz dazu, denn in nächster Zeit drohe neues Unheil: Die GEMA will ihre Gebühren laut unbestätigten Berichten um 60 bis 70 Prozent anheben. Momentan zahle der NBMB rund 160.000 pro Jahr an die GEMA, dann könnten es 270.000 Euro werden.

In der Petition wird der Bundestag aufgefordert, „der immer wieder geäußerten Wertschätzung des Ehrenamtes dadurch Rechnung zu tragen, dass weitreichende Ausnahmen zur Befreiung von Musikvereinen von der KSK-Abgabepflicht für die Ausbildung des eigenen Nachwuchses gesetzlich geregelt werden.“ Gefordert wird auch Rechtssicherheit für die ehrenamtlich tätigen Vereinsverantwortlichen. Dem kann die Kreisvorsitzende des NBMB, Renate Haag, nur zustimmen. Sollten die Forderungen bestehen bleiben, befürchtet sie, dass einige Vereine resignieren, die Nachwuchsförderung ganz einstellen und ihre Musikkapellen keine Zukunftsaussichten mehr haben. „Was wären unsere Dörfer ohne ihre Musikvereine?“ fragt sie. Haag rät allen, die Post mit Forderungen von der KSK bekommen, sich an die Kreisvorstandschaft zu wenden. Der NBMB lasse die Vereine nicht allein, er könne beratend und unterstützend wirken sowie eine Rechtsvertretung vermitteln. Die rechtlichen Grundlagen und Grenzen seien momentan nicht klar ersichtlich. Klar sei jedoch, dass die Freistellung der ehrenamtlich wirkenden Musikvereine gefordert werden muss.

„Im Landkreis Rhön-Grabfeld haben wir zum Glück eine Kreismusikschule, die zum größten Teil die Ausbildung der Jungmusiker mitträgt. Ein Fall wie in Sand kann bei uns wahrscheinlich nicht passieren“, so die Kreisvorsitzende. Sie sieht in der ganzen Angelegenheit einen Widerspruch in sich: Jeder möchte bei Festen und Veranstaltungen eine musikalische Umrahmung haben, die Musikvereine werden gelobt wegen ihrer Leistungen im gesellschaftspolitischen und sozialen Bereich  - andererseits werden sie in die Zange genommen, so dass sie finanziell kaum noch über die Runden kommen. Alle Musikvereine sollen sich an der Unterschriftenaktion beteiligen: Listen zum Upload und alle Infos gibt es unterwww.bbmv-online.de, www.nbmb-online.de oder www.nbmb-rg.de.

von Regina Vossenkaul

Renate Haag, Kreisvorsitzende des NBMB, geht mit gutem Beispiel voran und beteiligt sich an der Unterschriftenaktion zur Unterstützung einer Petition an den Deutschen Bundestag. Foto: Regina Vossenkaul