Musikalische Begabung ist im Landkreis Rhön-Grabfeld überdurchschnittlich vorhanden

MELLRICHSTADT (rar) Musikalische Begabung ist im Landkreis Rhön-Grabfeld überdurchschnittlich vorhanden. Dies beweisen unter anderem die Statistiken des Nordbayerischen Musikbundes (NBMB), der neben den drei fränkischen Regierungsbezirken auch die Oberpfalz umfasst. Von 370 Mitgliedskapellen in ganz Unterfranken befinden sich allein 71 im hiesigen Landkreis. Grundlage für den Erfolg ist eine entsprechende Ausbildung. Um diese sicher zu stellen bietet der NBMB seit 1982 für Jungmusiker Leistungsnachweise in den Stufen Bronze, Silber und Gold, besser bekannt als D1-, D2- und D3-Prüfung, an. Rund ein Viertel aller unterfränkischen Absolventen der ersten beiden Stufen stammt aus, wie könnte es anders sein, Rhön-Grabfeld.

„Wie ein Sportler, braucht man ein Ziel vor Augen, für die nötige Motivation“, beschreibt Friedhelm Landgraf, der stellvertretende Kreisvorsitzende des Nordbayerischen Musikbundes in Rhön-Grabfeld, die Idee hinter den Leistungsprüfungen. Dass das Konzept aufgeht belegen die Teilnehmerzahlen, so sei das Interesse „größer denn je“. Insgesamt 3141 Musiker aus der Gegend haben im Zeitraum von 1982 bis Dezember letzten Jahres erfolgreich ein Abzeichen erhalten. Etwa ein Drittel davon in der Zeit seit Einführung der bayernweit gültigen Prüfungsordnung im Herbst 1998. Den Grund für diese hohen Absolventenzahlen bei rund 3000 gemeldeten Musikern im Landkreis sieht Landgraf in der „hervorragenden musikalischen Ausbildung und Ausstattung, vor allem auch mit der Musikschule in Bad Königshofen.“
Zweimal im Jahr werden in Mellrichstadt am Martin-Pollich-Gymnasium Lehrgänge für die D1-, einmal für die D2-Prüfungen angeboten. Selbst Instrumente mit wenigen Teilnehmern, wie bei dem vergangenen Samstag beendeten Kurs die Oboe oder die Posaune, auf denen nur je ein Musikschüler die Prüfung ablegte, werden dabei angenommen. „Es wäre das letzte, Willige auszubremsen“, so Landgraf, der seit 1997 für die Organisation verantwortlich zeichnet. 
Für die Prüfung selbst bereiten sich die Musiker mit ihren Lehrern bereits in den Heimatvereinen maßgeblich vor. Kurz vor der Prüfung finden an zwei Wochenenden Vorbereitungskurse statt, bei denen die Schüler von neutralen Dozenten betreut werden. „Im Großen und Ganzen geht es dabei darum, noch an Kleinigkeiten zu arbeiten“, erklärt Tanja Domes, die Klarinetten- und Saxophonschüler begleitete. „Die meisten Schüler kommen schon gut vorbereitet her“, bestätigt auch Kollegin Ilona Zirkelbach die gute Vorarbeit, die in den Vereinen geleistet wird. Zudem gibt es an beiden Wochenenden einen Theorieunterricht, den Bezirksdirigent Jürgen Weyer leitet. Dieser wies ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei allen Dozenten um ausgebildete Profis handelt. Dies dürften die Teilnehmer und deren Eltern erwarten, bezahlen sie doch immerhin eine Kursgebühr von 42 Euro für die Teilnahme. Hinzu kommen bei erfolgreichem Bestehen acht Euro für das Abzeichen. Einige Vereine übernehmen bei erfolgreichem Abschluss einen Teil der Kosten, da gerade das D1-Abzeichen oftmals Voraussetzung ist, um in den Kapellen mitwirken zu dürfen.
Den Abschluss des Theorieunterrichts bildet eine Probeprüfung, anhand der man, sofern vorhanden, gezielt die Schwächen bzw. den Nachholbedarf jedes einzelnen Schülers feststellen kann. Auf Wunsch kann auch eine praktische Probeprüfung abgehalten werden. Schon nach dem ersten Vorbereitungswochenende wird vom entsprechenden Kursleiter für jeden Teilnehmer ein Zwischenbericht verfasst, der sowohl vom Schüler, den Eltern, als auch dem zuständigen Musiklehrer zur Kenntnis genommen werden muss. Darin wird konkret festgehalten, welche praktischen Übungen gut oder schlecht bewältigt wurden, so dass auch hier genau an entsprechenden Stellen gearbeitet werden kann und es im Zweifelsfall nach der Prüfung zu keiner „Überraschung“ beim Ergebnis kommt.
Ihre Erwartungen an den Vorbereitungskurs und die Dozenten erfüllt sahen die Schülerinnen Lena Scheuplein und Franziska Bach aus Brendlorenzen. Ihre Ausbilderin beim Musikverein Gartenstadt hatte sie auf den D1-Kurs hingewiesen. „Die Dozentin hat uns was beigebracht“ lautete der Kommentar zu Ilona Zirkelbach und die Umstellung vor einem neuen Lehrer zu spielen, sei „nicht so schlimm“ gewesen. Insgesamt ein halbes Jahr dauerte die Vorbereitungszeit der beiden, die vergangenen Samstag bei der Urkundenvergabe ein erfolgreiches Ende fand.
So ergibt sich für jeden Teilnehmer der Vorbereitungswochenenden ein individueller Plan, nach dem er jeweils an einem Tag den Theorieunterricht besucht und am anderen Tag in kleinen Gruppen von maximal vier Teilnehmern bei der Praxis betreut wird, so dass man auf jeden Einzelnen eingehen kann. Diese kompetente, individuelle Betreuung und auch Beratung seitens der Dozenten spiegelt sich in den Absolventenzahlen wieder. „Weniger als zehn Prozent konnten die Prüfung in den letzten Jahren nicht bestehen“, erklärte Jürgen Weyer, der auch die musikalische Leitung der Prüfungen innehat. Die Hauptaufgabe der Dozenten sei es „Kleinigkeiten auszufeilen, Mut zuzusprechen und die Angst vor der Prüfung abzubauen“, so der Bezirksdirigent. Denn die Prüfung wird in der Regel vor einem unbekannten Prüfungsvorsitzenden abgehalten, dem als Fachprüfer der Dozent aus den vorherigen Kursen beisitzt. Die Anforderungen sind dabei je nach Leistungsstufe unterschiedlich. Während der Leistungsnachweis für das Juniorabzeichen in den eigenen Vereinen abgelegt werden kann, müssen für die D1- und D2-Prüfungen streng nach Prüfungsordnung bestimmte Pflichtaufgaben vor einer neutralen Jury erfüllt werden. Dazu gehören das Tonleiternspiel, die Präsentation eines Vortragsstück, wobei man dieses vor der Prüfung aus vier bekannten Stücken zieht, sowie ein Selbstwahlstück, das, solange das Niveau entsprechend ist, frei wählbar ist. Bei der D2-Prüfung kommt ein vorher unbekanntes gelostes Stück hinzu, bei dem die Fähigkeit vom Blatt zu spielen geprüft wird. In der Theorie werden Musikgeschichte, Basiswissen, wie Notennamen, -höhe, Instrumentenschlüssel, Rhythmus oder auch Intervalle abgefragt, sowie die rhythmische und tonale Gehörbildung geprüft. Sowohl in Praxis als auch Theorie gilt, dass der Schwierigkeitsgrad von Stufe zu Stufe ansteigt. So kann man das goldene Leistungsabzeichen, also die D3-Prüfung, die nur auf Bundesebene des NBMB durchgeführt wird, nicht ohne einen Erfolg im Teilbereich der Gehörbildung erreichen.
Direkt im Anschluss an die Prüfung erfolgt die Bewertung und im Falle eines Scheiterns eine Besprechung. „Das ist der schlimmste Moment bei einer Prüfung, einem Schüler sagen zu müssen, dass er nicht bestanden hat“, beschreibt Ilona Zirkelbach die Situation und verweist auf Zeitaufwand und Engagement, das die Prüflinge investiert haben. Sollte es mit einer Prüfung wirklich mal nicht geklappt haben, bleibt jedoch der erfolgreich absolvierte Teil für zwei Jahre gültig, in denen man dann je nachdem die Praxis- oder Theorieprüfung wiederholen kann.
Demgegenüber verwies Landgraf auf den „schönsten Moment“, wenn er den erfolgreichen Absolventen ihre Urkunden überreichen kann. „Dieser Augenblick beflügelt“ schwärmt er.
Für den reibungslosen Ablauf galt sein Dank dem Dozententeam, das im Großen und Ganzen aus einer „Stammbesetzung“ besteht, denen man „nicht erzählen muss, was zu tun ist.“ Bei rund 70 Mitgliedsvereinen komme auf den Verband viel Arbeit zu, daher habe man sich schon vor vielen Jahren breit aufgestellt. Durch regelmäßige Aus- und Fortbildungen wird dauerhaft eine hohe Qualität gesichert und man versuche „alles machbar zu machen“. Dazu erklärte er, dass man auch an der Basis arbeite, denn: „Wir sind für die Vereine da, nicht umgekehrt!“